Antifaschismus muss alltäglich werden

Bündnis »Chaos statt AfD« ruft zu vielfältigen Aktionen am Sonntag auf. Gespräch mit Lise Meyer

Von Jan Greve
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Demonstration gegen die AfD in Münster (12.05.18)

Am Sonntag will die AfD in Berlin marschieren. Auch das Bündnis »Chaos statt AfD« mobilisiert zum Protest dagegen. Was ist Ihr Ansatz?Wir begrüßen ausdrücklich die Aktionen vom Bündnis »Stoppt den Hass – stoppt die AfD«, haben jedoch eine andere Einschätzung, was den Erfolg von Blockaden in Berlin-Mitte angeht. Hier könnte es ein Gefeilsche um jeden Meter geben, so dass beide Fraktionen am Ende ihren Erfolg feiern können. Das ist für uns keine Option. Das ist kein Antifaschismus, den wir tagtäglich leben wollen. Und es kann auch nicht die Zielsetzung sein, dass wir mit Politik und Polizei darüber verhandeln, wie weit Faschisten laufen dürfen.

Dementsprechend haben wir überlegt, was realistisch ist. Möglich ist, dass man den Bezugsgruppen, die an dem Tag eh unterwegs sind, die motiviert sind und keine Lust auf Bratwurstessen am Spreeufer haben, ein anderes Konzept bietet. Deswegen haben wir uns für »Chaos statt AfD« entschieden. Berlin ist sehr groß, es gibt viele Möglichkeiten. Warum sollten wir nicht diesen Tag nutzen, um der AfD in Berlin zu zeigen: Wir wollen euch hier nicht. Und wenn die Polizei es nicht zulässt, dass die Nazis gleich am Auftaktort blockiert werden, heißt das für uns, das eben andere Sachen hermüssen. Was das dann ist, nun, da sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt.

Wie würden Sie die bisherige Mobilisierung einschätzen?

Natürlich hat ein Bündnis, das sich »Chaos statt AfD« nennt, andere Formen der Mobilisierung als ein breites sogenanntes zivilgesellschaftliches Bündnis. Unser Gefühl ist aber, dass wir es geschafft haben, dass wieder über andere Aktionsformen gesprochen wird. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir am Sonntag dafür sorgen werden, dass es viel solidarische Begleitmusik während der Proteste geben wird.

Was genau stört Sie an den bisherigen Blockadekonzepten?

Das ist eine ganz vielfältige Kritik. Das beginnt bei den Auseinandersetzungen darüber, wie man ein solches Bündnis gründet. Wir hatten in Berlin vor einigen Jahren noch Situationen, dass von Anfang an zu Blockaden aufgerufen wurde. Darüber gab es gar keine Debatte. Da nannte man sich einfach »Berlin nazifrei«, das war eine klare Ansage. Jetzt nennt man sich »Stoppt den Hass – stoppt die AfD«, wobei letzteres kleiner geschrieben ist. Das wirft Fragen auf, finden wir. Man merkt es auch an den Formulierungen. Es heißt jetzt »konsequent entgegenstellen«. Das ist natürlich Ausdruck einer anderen politischen Debatte, die da geführt wird. Es ist nicht mehr klar, dass von vornherein zu Blockaden aufgerufen wird. Deren Organisation braucht natürlich einen gewissen Vorlauf. Außerdem müssen sie klar als Ziel formuliert werden, damit sie am Tag selbst auch funktionieren. Das hat in Dresden wunderbar funktioniert, in Berlin in den ersten Jahren auch. Wer weiß, ob das heute noch so ist, wenn man es so sachte formuliert.

Der andere Punkt, der auch von Leuten aus dem »Stoppt den Hass«-Bündnis geteilt wird, ist, dass die Polizei sich im Laufe der Jahre total auf diese Blockadekonzepte eingeschossen hat. Sie wissen, wie sie damit umgehen können und in welchem Verhältnis sie den Blockierern ein Stück der Route geben müssen. Aber wiederum nur so viel, dass auch die AfD zufrieden ist. Das geht für uns gar nicht. Das ist nicht der Kampf, den wir führen wollen. Faschismus macht sich in dieser Gesellschaft breit, er ist alltäglich geworden. Wir haben die AfD in den Parlamenten und jeden Tag in den Nachrichten. Dazu sollen wir schweigen? Wir können es nicht zulassen, dass sich die AfD mit ihrem Aufruf als Opposition der Straße inszeniert. Antifaschismus muss alltäglich werden.

Lise Meyer ist Sprecherin von »Chaos statt AfD«

Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/333009.antifaschismus-muss-allt%C3%A4glich-werden.html